Sonntag, 14. Oktober 2007

Jubiläumspredigt Oktober 2007

1 Der Herr sprach zu Abram: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde.
2 Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein.
3 Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen. Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen.

Liebe donauschwäbische Landsleute, verehrte Gäste, liebe Gemeinde!
Jubiläen haben es so an sich, dass man in die Vergangenheit blickt. - Und ich denke, das ist gut so, denn: Wer seine Geschichte nicht kennt, der kann nicht einordnen, was er in der Gegenwart besitzt und welche Hoffnungen er für die Zukunft haben darf.

Seine eigene Geschichte kennen, sich seiner Vergangenheit bewusst sein, das trifft in diesem besonderen Fall auch auf mich selbst zu. Auch ich bin ein Nachfahre von Donauschwaben, die bis ins Jahr 1946 in Ungarn gelebt haben, im Gebiet Komarom - Estergom, zwischen Wien und Budapest.
Und so habe ich vor zehn Jahren begonnen, Ahnenforschung zu betreiben, weil ich Genaueres wissen wollte über die Geschichte meiner donauschwäbischen Vorfahren. Meine väterliche Linie konnte ich bis ins Jahr 1731 zurückverfolgen, aber auf die entscheidende Frage, nämlich woher genau meine Vorfahren aus Deutschland ausgewandert sind, konnte ich noch keine Antwort finden. Vielleicht befindet sich heute morgen ein kundiger Ahnenforscher unter uns, der mir wertvolle Hinweise geben kann.

Auch in meiner Familie sind sie präsent, die Geschichten vom Krieg, von Umsiedlung, Aussiedlung und schließlich der Vertreibung aus der alten Heimat. Zurücklassen mussten auch meine Familie ihre Häuser, Grundstücke und alles, was ihr lieb und wert war. Auf einem Handkarren, auf dem sich die gesamte Habe befand, kamen sie in Deutschland an.

Unermessliches Leid kam über die Frauen und Männer und Kinder deutscher Sprache in den donauschwäbischen Siedlungsländern. Menschen waren ihnen feind und haben Rache genommen für Unrecht, das auch sie durch eine ungerechte Politik erlebt haben. Nur weil sie Deutsche waren, wurden sie zu Feinden gestempelt. Man hat sie aus ihren Häusern vertrieben und in Hungerlager gesteckt.

Doch all das - die Erlebnisse der Vergangenheit - soll für die Überlebenden eine neue Bedeutung bekommen. Wir sollen es nicht verdrängen und wir sollen es nicht vergessen, wir sollen es aber als Christenmenschen richtig einordnen.

Der Bibeltext, den wir schon gehört haben, soll uns dabei helfen.

1 Der Herr sprach zu Abram: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde.
2 Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein.
3 Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen. Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen.

In der Bibel ist dieser kurze Text der Beginn der Geschichte Gottes mit seinem Volk. Nicht nur die Geschichte des jüdischen Volkes beginnt in diesen drei Versen, sondern die Geschichte des Gottes, der sich ganz persönlich einlässt auf die Menschen, die er geschaffen hat. Ganz plötzlich nimmt Gott Kontakt auf, in diesem Fall mit Abraham: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde.

Natürlich haben die Donauschwaben ihre Heimatländer nicht freiwillig verlassen, sie wurden gewaltsam dazu gezwungen. Doch dass der Segen Gottes, von dem diese Verse sprechen, auch die Donauschwaben und ihre Nachfahren begleitet hat, davon wollen wir heute reden.

In der Jubiläumsfestschrift findet man viele Hinweise auf diese Segensgeschichte, der Festausschuss redet in seinem Vorwort sogar von einem Wunder. Ich zitiere:
„Immer noch fest verwurzelt im Glauben, in der Sprache, in Sitten und Brauchtum hielten die Donauschwaben an der angestammten Gemeinschaft fest, bauten erneut auf, schufen sich neue Existenzen, während die verlassene Heimat zusehends wirtschaftlich verarmte. Sie fanden wieder Glück und Zufriedenheit, Eigenschaften, die fleißige Menschen immer auszeichnen. Über 150 Jahre Inseldasein, in dem es neben der täglichen, schweren Arbeit stets auch galt, die ererbten Werte zu verteidigen, lehrten sie, dass ein Mensch erst dann endgültig verloren ist, wenn er aus der Gemeinschaft seinesgleichen ausbricht. Sie brachen nicht aus, sie blieben, was sie waren, nämlich Donauschwaben.“ – Zitat Ende.

Für gläubige Menschen ist es ganz klar: dieser Rückblick ist ein Stück Segensgeschichte. Dass aus Flucht und Vertreibung ein neuer Anfang werden durfte, dass Glück und Zufriedenheit wieder einziehen durften, das ist nicht selbstverständlich. Das stellt sich nicht von selbst ein. Dazu gehörte der Segen Gottes und ganz gewiss auch der berühmte Fleiß der Donauschwaben.

2 Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein.
Gott ist nicht untätig gewesen weder in unserer jüngsten Geschichte, weder in der Geschichte unserer Vorfahren, noch in der Geschichte seiner Kirche oder des Volkes Israel. Deshalb ist es notwendig immer wieder neu zurückzublicken, um die Spuren der Taten Gottes zu sehen.

Liebe donauschwäbische Landsleute, verehrte Gäste, liebe Gemeinde!
Wer seine Geschichte nicht kennt, der kann nicht einordnen, was er in der Gegenwart besitzt und welche Hoffnungen er für die Zukunft haben darf. In diesem Sinne verstehe ich auch das Motto dieses Wochenendes: „Donauschwaben, der Herkunft verpflichtet, weltweit verbunden.“

Weltweit verbunden, das heißt für mich: Verbundenheit schaffen in dieser zerrissenen Welt: zwischen Menschen, zwischen Weltanschauungen und Religionen, zwischen Völkern, Rassen und Hautfarben. Aufstehen gegen Hass und Unterdrückung. Wenn das die Aufgabe und Herausforderung ist, die sich aus der gemeinsamen Herkunft und Geschichte der Donauschwaben ergibt, dann wird auch deutlich, was mit dem Segen Abrahams gemeint ist.

„Abraham ist jeder,
der im Namen seines Glaubens an Gott
und aufgrund seiner Liebe zum Leben
aufsteht gegen den ganzen von Menschen erzeugten Zustand der Ungerechtigkeit und des Fluches
und der, um diesen Zustand zu ändern,
bereit ist, alles zu verlassen,
das Gewisse für das Ungewisse einzutauschen,
das Sichere für das Unsichere
das Bekannte für das Unbekannte
das Gegenwärtige für das Zukünftige!“

1 Der Herr sprach zu Abram: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde.
2 Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein.
3 Ich will segnen, die dich segnen; Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen.
Amen.